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16.02.2021

Interview zur aktuellen Lage der Schiffe Sea-Watch 3 & 4

Sea-Watch ist eine der wichtigsten Rettungsorganisationen auf dem zentralen Mittelmeer. Tausende Menschen hat Sea-Watch in den letzten Jahren aus Seenot gerettet. Doch seit Monaten sind die beiden Rettungsschiffe der Organisation festgesetzt: Unser Bündnisschiff Sea-Watch 4 sowie die Sea-Watch 3 – aus fadenscheinigen, politisch motivierten Gründen. Wir haben mit Sea-Watch-Sprecherin Mattea Weihe zur aktuellen Lage gesprochen.

Die Sea-Watch 4 wurde nach ihrem ersten Einsatz am 19. September 2020 in Palermo festgesetzt. Mit welcher Begründung?

Nach einer elfstündigen Hafenstaatkontrolle, die einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen glich, wurde die Sea-Watch 4 mit dem Hauptvorwurf festgesetzt, dass die Rettung von Menschenleben nicht der Registrierung des Schiffes entspreche. Außerdem habe die Sea-Watch 4 zu viele Rettungswesten an Bord und das Abwassersystem sei nicht für die Anzahl der potenziell geretteten Personen ausgelegt. Dass diese Begründungen völlig absurd sind, zeigt die mehrfache Bestätigung unseres deutschen Flaggenstaates: Es gibt in Deutschland keine Registrierungsmöglichkeit als ziviles Rettungsschiff. Die Sea-Watch 4 erfüllt aber alle erforderlichen Regularien ihrer Registrierung und ist ein sicheres und bestens ausgestattetes Schiff. Dieser Widerspruch über die Schiffssicherheit der Sea-Watch 4 zeigt, wie die italienischen Behörden vor nichts zurückschrecken, um die Rettung von Menschenleben zu verhindern.

Zur gleichen Zeit wurde auch das Sea-Watch-Aufklärungsflugzeug Moonbird durch die italienischen Behörden festgesetzt. Mit dieser Aktion versuchten sie gezielt zu verhindern, dass die gravierenden Menschenrechtsverletzungen an der tödlichsten Seegrenze der Welt dokumentiert werden. Niemand soll das Sterben auf dem Mittelmeer mehr bezeugen können. Wir sind froh, dass unser Aufklärungsflugzeug mittlerweile wieder fliegen kann und tun alles dafür, dass auch die Sea-Watch 4 möglichst schnell wieder in den Einsatz zurückkehren kann, um Seite an Seite mit unseren Flugzeugen operieren zu können.

Was habt ihr seither unternommen, um das Schiff freizubekommen? Warum habt ihr euch, anders als SOS Méditerranée im Fall der Ocean Viking, gegen eine Nachrüstung und für den gerichtlichen Weg entschieden?

Zunächst einmal sind natürlich wir froh, dass die Ocean Viking so viele Menschen retten konnte. Die Situationen der Ocean Viking und der Sea-Watch 4 lassen sich allerdings in vielerlei Hinsicht nicht vergleichen. So ergeben sich z.B. unterschiedliche Anforderungen dadurch, dass die Sea-Watch 4 unter deutscher Flagge fährt und auch in Deutschland statt in Italien klassifiziert wurde.

Um den politisch motivierten Hafenstaatkontrollen ein Ende zu setzen, hat sich Sea-Watch am 23. Oktober 2020 entschlossen, Klage zu erheben. Vor einem italienischen Gericht soll die Unrechtmäßigkeit dieser Kontrollen festgestellt werden, damit auch in Zukunft kein ziviles Seenotrettungsschiff dieser Form der Schikane durch die italienischen Behörden ausgesetzt wird. Nach mehreren Anhörungen wurde der Fall anschließend an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen, der nun auf europäischer Ebene über den Fall entscheiden soll. Eine positive Entscheidung vor dem EuGH wird sich nicht nur auf die Schiffe von Sea-Watch auswirken, sondern auf alle zivilen Seenotrettungsschiffe. Wir sind somit die erste Organisation, die auf eine rechtliche Lösung drängt und den Weg dafür ebnet, dass Seenotrettungsorganisationen sich in Zukunft nicht mehr politischen Hafenstaatkontrollen ausgesetzt sehen. Unsere Klage ist damit als Schritt hin zur Rechtssicherheit für alle im Mittelmeer aktiven Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu verstehen.

Das Gericht in Palermo wartet laut Sea-Watch auf den Beschluss des Europäischen Gerichtshofs zum weiteren Verfahren. Ob die Sea-Watch 4 in der Zwischenzeit freigesetzt wird, entscheidet das Gericht in Palermo am 23. Februar. Wie schätzt ihr die Chance ein, dass die Entscheidung positiv ausfällt?

Zunächst hoffen wir natürlich, dass es am 23. Februar über unseren Antrag auf eine vorläufige Freilassung der Schiffe bis zur finalen Urteilsverkündung entschieden wird und es nicht zu einer erneuten Vertagung kommt. Im Falle einer Entscheidung sind wir positiv gestimmt und wollen anschließend schnellstmöglich wieder in den Einsatz zurückzukehren

Wann könnte die Sea-Watch 4 im Falle einer Freisetzung wieder ausfahren?

Die Crew, die weiterhin an Bord der Sea-Watch 4 ist, hält das Schiff selbstverständlich ordnungsgemäß in Stand und sorgt mit viel Engagement dafür, dass das Schiff so schnell wie möglich wieder in den Einsatz aufbrechen kann, sobald es zu einer Entscheidung gekommen ist.

Wie können wir uns die Situation an Bord vorstellen? Ist die Crew weiterhin vor Ort?

Derzeit befindet sich eine Crew an Bord, die dafür sorgt, dass das Schiff weiterhin in einem guten Zustand bleibt. Dazu gehören alltägliche Aufgaben wie die Wartung des Schiffes, also beispielsweise die Rostkonservierung. Gleichzeitig werden technische Anlagen an Bord stetig betreut und gewartet. Zudem wird der Schiffsalltag organisiert: Es wird gekocht, geputzt, trainiert sowie die notwendigen Aufgaben im Hafen erfüllt, wie die Betreuung und Bewachung des Schiffes. Wir hoffen, dass die Sea-Watch 4 so schnell wie möglich wieder auslaufen kann und geben unser Bestes, das Auslaufen zu beschleunigen.

Wie ist die Situation der Sea-Watch 3? Kann sie wieder auslaufen oder ist sie ebenfalls an die Gerichtsentscheidung gebunden? Warum ist die Situation anders als bei der Sea-Watch 4?

Durch eine einmalige Fahrerlaubnis konnte die Sea-Watch 3 vor einigen Monaten in die Werft ins spanische Burriana fahren, weil dringende Reparaturen durchgeführt werden mussten. Dort wird das Schiff für die nächste Mission vorbereitet, damit es so schnell wie möglich wieder auslaufen kann. Die Gerichtsentscheidung wird ebenfalls Auswirkungen auf die Sea-Watch 3 haben, da auch die Sea-Watch 3 wiederholt willkürlichen Festsetzungen durch politisch motivierte Hafenstaatkontrollen ausgesetzt war.

Vielen Dank, Mattea für deine Zeit und viel Erfolg für die anstehenden Entscheidungen!

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