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02.11.2020

Martin Kobler im Interview

Martin Kobler war UN-Sondergesandter in Libyen. Zwei Jahre lang hat er im Auftrag der Vereinten Nationen versucht, zwischen den verfeindeten Fraktionen in Libyen zu vermitteln. Im Gespräch mit United4Rescue ordnet er die aktuelle Lage im Land ein und erklärt, warum die zivile Seenotrettung für ihn ein humanitärer Imperativ ist.

Herr Kobler, Sie haben damals nach dem Sturz Gaddafis mitgeholfen, die international anerkannte libysche Regierung überhaupt erst zu stabilisieren. Wie schätzen Sie die aktuellen Entwicklungen nach dem Teilrückzug der Haftar‘schen Kampfverbände ein?

Seitdem das Regime Muammar Gaddafis im Jahr 2011 gestürzt wurde, ist Libyen auf der Suche nach Frieden und Stabilität. Trotz einiger Fortschritte, die zuletzt erzielt wurden, ist die Zukunft immer noch ungewiss. Das Land ist weiterhin extrem instabil. Die Lage vor Ort ist hauptsächlich militärisch geprägt und es fehlt ein politischer Anschub, Frieden und Stabilität wieder in Libyen fest zu verankern. Hoffentlich bringt der „Berliner Prozess“ hier Fortschritt. Es gibt im gesamten Land keine funktionierenden staatlichen Strukturen mehr, sondern verschiedene Machtzentren und eine starke Kontrolle durch die Milizen.

Wir werden immer wieder gefragt, warum die in Seenot geretteten Menschen nicht einfach nach Libyen zurückgebracht werden.

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Libyen ist definitiv kein sicheres Land für Flüchtlinge. Seit dem Ausbruch der Kämpfe in Libyen Anfang April 2019 hat sich die Situation weiter verschlimmert: Menschen, die in den Haftzentren unter katastrophalen Bedingungen festgehaltenen werden, geraten immer wieder zwischen die Fronten und werden wegen der Kämpfe tagelang nicht mit Essen versorgt. Auch die sogenannten staatlichen Lager werden vielfach von bewaffneten Milizen betrieben und Menschenrechtsverletzungen stehen auf der Tagesordnung. Die Menschen werden wie Tiere eingepfercht, durch Zwangsarbeit ausgebeutet und von Menschenhändlern weiterverkauft. Täglich finden Folter und sexuelle Übergriffe statt. Menschen sterben an den schlechten hygienischen Bedingungen. Es ist also kein Wunder, dass die Menschen weg wollen, auch wenn der einzige Weg sie über die gefährliche Mittelmeerroute führt.

Hilfsorganisationen machen für die verzweifelte Lage der Migranten auch die Vereinbarung zwischen den EU-Staaten und der libyschen Küstenwache verantwortlich. Wie bewerten Sie das Vorgehen der EU?

Ich habe die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache von Anfang sehr kritisch gesehen. Schlicht und ergreifend, weil die libysche Küstenwache keiner effektiven staatlichen Kontrolle unterliegt und Menschenrechtsverletzungen nicht nachverfolgt werden können. Außerdem führte der verstärkte Einsatz der Küstenwache dazu, dass die Menschen immer gefährlichere Routen über das Mittelmeer wählten. Letztlich sind die Maßnahmen zur Kontrolle der Grenzen nur ein Herumdoktern an den Symptomen. Das Wichtige ist, dass die Fluchtursachen in den Herkunftsländern identifiziert und nachhaltig bekämpft werden.

Wie beurteilen Sie das zivilgesellschaftliche Engagement in der Seenotrettung auf dem Mittelmeer?

Die Notwendigkeit zur Rettung von in Seenot geratenen Menschen im Mittelmeer begründet sich für mich ganz klar in unseren europäischen Werten. Wir lassen keine Menschen ertrinken. Darüber müsste man eigentlich gar nicht diskutieren, finde ich. Und zwar nicht nur, weil uns das Internationale Völkerrecht zur Seenotrettung verpflichtet. Die Rettung von in Seenot geratenen Menschen ist für mich ein humanitärer Imperativ - egal woher sie kommen oder wohin sie gehen. Natürlich dürfen wir dabei die Ursachen von Flucht nicht außer Acht lassen. Aber wir können dennoch nicht wegschauen, wenn Menschen vor unseren europäischen Außengrenzen ertrinken.

Martin Kobler im Einsatz in Libyen

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